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Eritrea Railway – Eine Reise mit der jüngsten Staatsbahn der Welt im Oktober 2004

Das Land

Eritrea, ein kleines Land am Horn von Afrika, mit einer Fläche von 117'600 km², gut zweimal so gross wie die Schweiz und mit ca. 4,5 Millionen Einwohnern, hat erst 1993, nach 30 Jahren Krieg mit Äthiopien seine staatliche Unabhängigkeit errungen. Im Osten bildet das Rote Meer mit einer, über 800 km langen Küstenlinie die Grenze. Im Norden und Westen grenzt Eritrea an den Sudan, im Süden an Äthiopien, im Südosten an Djibouti. Der schmale, flache Küstenstreifen, eine nur spärlich mit Dornbüschen bewachsene Halbwüste, ist eine der heissesten Gegenden der Erde, die allenfalls Ziegen und Kamelen kärgliche Nahrung bietet. Im Norden des Landes schliesst sich nach Westen hin ein steil auf über 2400 Meter ansteigendes Hochland an, das sich bis zur Grenze zum Sudan auf 500 Meter absenkt. Feuchte Meeresluft staut sich an den steilen Hängen und kondensiert zu Feuchtigkeit, welche den Bewohnern zwischen 1000 und 2000 Metern Höhe mit ausreichenden Niederschlägen an den Steilhängen eine mühsame Form des Ackerbaus ermöglicht. Die Hochebene selbst hat ein mildes Klima mit zwei Regenzeiten und ist das fruchtbarste Gebiet des Landes.

Die Bevölkerung

Die Bevölkerung setzt sich aus zahlreichen Stämmen mit eigenen Sprachen zusammen. Staatsprachen sind Tigrinya, Arabisch und – Englisch. Letzteres, obwohl das Land nur während einer kurzen Zeit, nach Anfang des Zweiten Weltkrieges, britischem Mandat unterstellt war. Die Bezeichnung »Eritrean Railway« entspricht deshalb durchaus offizieller Diktion. Ältere Leute sprechen oft noch Italienisch, bei der Bahn haben die alten Männer, welche heute noch die Dampfloks und Littorinas betreuen, ihr Metier bei den Italienern gelernt. Etwa die Hälfte der Bevölkerung Eritreas sind Moslems, die anderen sind Christen und beide Religionen leben friedlich nebeneinander.

Die Geschichte der Bahn

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts besetzten die Italiener die eritreische Küste und planten, von hier ihre Eroberungen auszudehnen. Sie scheiterten zwar bei der Eroberung Äthiopiens, durften aber mit dem Friedensvertrag von 1909 Eritrea behalten. Ursprünglich war der Bau einer Bahn von Massawa nach Addis Abeba geplant, dieser Plan wurde aber nie realisiert, so dass die Linie heute nur die Hafenstadt Massawa am Roten Meer mit Asmara, der in der Hochebene auf 2342 Metern gelegenen Hauptstadt, verbindet.

Um 1887/88 bauten die Italiener eine erste Bahn in 750 mm Spurweite von Massauwa, dem Hafen, zur 25 km entfernten Festung von Sa'ati. 1897 verlegte die Kolonialverwaltung ihre Hauptstadt von Massawa nach Asmara, einer Siedlung im Hochland und es wurde beschlossen, die Bahn in 950 mm Spurweite bis dorthin zu bauen.

Der Ort Ghinda, wichtigste Zwischenstation am Streckenkilometer 69,4 wurde 1904 erreicht, aber hier begannen erst die Schwierigkeiten: Ghinda liegt auf 888 Metern über dem Meeer, das 20 Kilometer Luftlinie entfernte Asmara aber auf 2342 Metern üNN. Um diese Höhendifferenz mit der Bahn zu überwinden, bauten die italienischen Ingenieure eine 48,2 km lange Trasse von Ghinda über Embatkalla, Nefasit und Arbaroba, welche mit ihrer Linienführung durch Tunnels und über Kunstbauten, mit Steigungen von 35 Promille kaum zu überbieten ist.

Die Bahn bis nach Asmara wurde 1911 vollendet und ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst: die 118 km lange Strecke führt von Meereshöhe über den Kulminationspunkt von 2394 Metern mit einer durchschnittlichen Steigung von 35 ‰ mit 29 Tunnels, 352 Brücken, Viadukten und Galerien, sowie engsten Kurvenradien.

Der Weiterbau der Ferrovie Eritree verlief schleppend: Keren (km 221,7) wurde 1922 und Agordat (km 306,6) im Westen der Hochebene zum Sudan, wurde erst 1932 erreicht. Der Weiterbau der Bahn, mit einer zulässigen Achslast von nur 12,5 Tonnen, nach Tessenei, mit Anschluss an die kapspurige Sudan Railways, unterblieb.

Nach 1922 förderte die italienische Kolonialverwaltung die Industrialisierung, das Gesundheits- und Bildungswesen sehr stark. Die Einwanderung italienischer Siedler wurde forciert, so dass die Bahn, welche auch strategischen Zwecken diente, sehr bald an ihre Kapazitätsgrenzen stiess. In Spitzenzeiten sollen auf der eingleisigen Strecke täglich 38 Zugpaare geführt worden sein. Dies führte, nach Unterwerfung Äthiopiens im Jahr 1935 zum Bau der so genannten Teleferica, einer Luftseilbahn, welche bis zur Besetzung der italienischen Kolonie im Jahre 1941 durch die Engländer, 30 Tonnen Güter pro Tag transportierte. Heute sind davon nur noch wenige Überreste zu sehen.

Die heutige Situation der Bahn

Während des Unabhängigkeitskrieges zwischen Äthiopien und Eritrea stark zerstört, wurde die Bahn nach Ende des Krieges von der arbeitlos gewordenen Armee von Hand wieder aufgebaut und im Jahr 2003 durchgehend wieder in Betrieb genommen. Zum Einsatz kommen dabei heute wieder die alten Dampfloks und das Rollmaterial aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts: Dazu fährt auch ein zum Schienenfahrzeug umgebauter Lkw aus Kriegsbeständen der russischen Marke Ural, ein Gefährt, welches sogar auf der 10-Nakfa-Banknote des Landes mit einem Güterzug auf der Brücke bei der Station Mocullo abgebildet ist. Trotz Wiederaufbaus der Bahn – die Geleise sind durchwegs in einem guten Zustand – gibt es, ausser Sonderzügen, keinen Verkehr. Die Güter vom Hafen Massawa für die Versorgung der Hauptstadt werden alle auf Lkw über die steile, kurvenreiche Strasse transportiert und die Menschen reisen in Minibussen. Die Bahn hat kein Geld für Rollmaterial – siehe oben.

Unsere Reise

Unsere Reise begann mit einem Flug ab Frankfurt mit Zwischenstopp in Djedda (Aussteigen nicht erlaubt und die Bar des Flugzeuges wird vor Ankunft sorgfältig verschlossen) nach Asmara, wo man sich im südlichen Italien angekommen glaubt, mit einem angenehmen Klima und freundlichen Menschen. Das Hotel »Ambasoira« aus den 50er Jahren bietet ein Ambiente wie in Italien: Palmen säumen die Hauptstrasse und es hat auffallend wenig Verkehr. Kulinarisch hat man hat die Wahl zwischen sehr gut gewürzter lokaler Küche und einem Piatto di Spaghetti z.B. in der »Trattoria des Club degli Italiani« - einfach Spitze! Auch die Musik des Landes ist sehr sehr rhythmisch, hat was Afrikanisches, sehr gefällig und die Leute tanzen gern. Sie heiraten auch ziemlich oft – 2 Mal in dieser Woche sollte in unserem Hotel Hochzeit gefeiert werden. Für nicht Geladene gilt: die schlafen irgendwann trotzdem ein.

Schon am ersten Tag nach unserer nächtlichen Ankunft galt es, früh aufzustehen, denn unsere »Littorina«, ein typisch italienischer Diesel-Schienenbus mit Baujahr 1935, stand schon um 7.00 Uhr früh qualmend am Bahnhof von Asmara bereit, für eine Fahrt talwärts, über den spektakulärsten Streckenteil bis nach Ghinda, wo uns der Bus abholen würde für die Weiterfahrt nach Massawa, der Hafenstadt, wo wir die Nacht verbringen sollten. Es wird klar: den obersten Streckenteil muss man mehrmals erfahren, damit man überhaupt begreift, was passiert. Es ist wie eine Fahrt mit der Achterbahn! An einer Stelle von der Strasse aus sind 3 verschiedene Ebenen der Bahnlinie auszumachen, die sich durch die Berglandschaft windet, vorbei an steilen Felshängen, wo nur noch Kakteen wachsen. Und trotzdem gibt es kleine Gehöfte, Steinhütten, mit ebensolchen Mauern eingefasst, welche an den Hängen kleben und die Menschen leben hier mit ein paar Ziegen. Überall laufen die Kinder zusammen, welche die Vorbeifahrt der »Littorina« neugierig verfolgen. Man muss wohl schwindelfrei sein, wenn man an diesen Wohnlagen oberhalb von Nefasit leben will.

In Ghinda, der Station bei Kilometer 70, von Massawa gerechnet, endet die Fahrt mit der »Littorina« gegen Mittag und unser Bus bringt uns an die Küste. Je näher wir der Küste sind, desto heisser und vor allem feuchter wird das Klima. Über die heisseste Zeit am Mittag beziehen wir unser Hotel, um uns auszuruhen und für unseren Ausflug in die Wüste das beste Licht abzuwarten. Das Hotel hat zwar eine Klimaanlage aber die funktioniert nur in der Lobby richtig, das Zimmer ist wie eine Sauna. Am späteren Nachmittag fahren wir mit einem GmP, gezogen von der Mallet 442.54 vom Hafen, welcher auf einer der Stadt vorgelagerten Insel gelegen ist, über den Damm für Schiene und Strasse ins Landesinnere. Es erwartet uns eine Steinwüste, wo nur noch Dornbüsche wachsen, die Nahrung für Ziegen und Kamele. Vor allem die attraktive Steinbogenbrücke über ein Wadi kurz nach der Station von Mocullo mit Dampfzug ist das Motiv des Tages. Das Flüchtlingslager der Somalier, mit seinen runden Zelten und Hütten, mitten in der Wüste an der Bahnstrecke gelegen, ist zwar in der untergehenden Sonne auch fotogen, aber es stimmt nachdenklich, zu sehen, wie die Leute hier, fernab von jeglicher Zivilisation überleben, und dies wohl nur dank Nahrungsmittelhilfe und Wasserlieferungen der UNO.

Die Dämmerung ist kurz so nahe am Äquator und bei unserer Ankunft senkt sich die Nacht über Massawa. Der Reiseleiter kennt ein Restaurant in der Nähe des Hafens, wo die ganze Gruppe an einem langen Tisch im Freien Platz nimmt. Fisch wird gereicht, auf traditonelle Weise in der Glut im Inneren eines alten Kochherds gegrillt. Ich hatte so etwas noch nie gesehen: in die Öffnungen im Herd, für die Pfannen, werden die Fische rundherum an der Glut stehend aufgereiht und sind im Nu knusprig gebraten. Im Laden gleich über die Strasse habe ich dazu eine Flasche besten südafrikanischen Weissweins gefunden - hat ausgezeichnet geschmeckt!

Am nächsten Morgen, am Sonntag, 3. Oktober 2004, verlassen wir Massawa mit einem GmP, gezogen von der Mallet-Lok 442.54 mit dem Ziel Ghinda. Die Wasserversorgung ist ein Problem, die Wasserkräne sind überall defekt: In Dogali, der ersten Station nach der Brücke bei Moncullo erwartet uns deshalb ein Tanklastwagen. Das kleine Bahnhofsgebäude ist nur noch eine Ruine, wahrscheinlich eine Folge des Krieges, eine Annahme, welche durch die überall herumliegenden Munitionsreste gesichert scheint. In Mai Atal, dem nächsten Bahnhof mitten in der Wüste, bei Streckenkilometer 30 wurde zwar das Bahnhofsgebäude wieder aufgebaut, aber überall sind Kriegsschäden zu sehen. Die Gruppe fährt mit dem Bus nach Massawa zum Essen und ich vertreibe mir die Zeit am Bahnhof mit Picknicken. Selbst am Schatten sitzend, ist die Hitze kaum auszuhalten! Im nächsten Dorf namens Damas, mit der schlichten Moschee, führt statt einer Strasse die Bahnlinie mittendurch und der Haltepunkt sowie ein Wasserturm befinden sich ausserhalb. Trotz des Wasserreservoirs wird die Lok wieder mit dem Tanklaster versorgt. Nach einem weiteren Wasserhalt in Baresa erreichen wir Ghinda am km 70 gegen Abend und fahren von hier mit dem Bus nach Asmara.

Am Montag, 4. Oktober, befahren wir die Strecke Baresa – Ghinda nochmals und nach einem Spaziergang durch das Dorf von Ghinda, werden 3 Loks, die beiden Mallets 442.45 und 442.59, sowie einer der kleinen Zweikuppler zur Foto-Parade aufgereiht. Die Rangiermanöver dafür dauern praktisch den ganzen Nachmittag.

Für den Dienstag, 5. Oktober, ist die Fortsetzung der Reise von Ghinda nach Asmara geplant, mit einem GmP, gezogen von den beiden Mallets. Für spezielle Streckenaufnahmen fährt sogar die »Littorina« dem Zug voraus. Aber die Doppeltraktion hat nicht so recht geklappt: Wir schaffen es gerade mal bis Nefasit, aber erst nachdem der Zug in Embatkala getrennt worden war. Die Loks hatten ganz offenbar Mühe, den für diese Steigungen nötigen Dampfdruck aufzubauen. Auch an der »Littorina« gab es Probleme, hier mit der Dieselpumpe, so dass wir sie zurücklassen mussten. Aber die alten Männer haben es wieder geschafft, innert kurzer Zeit die Kiste zu flicken und folgten kurz vor Nefasit wieder unserem Zug. Als es dann am späten Nachmittag noch heftig zu regnen begann, da war die Sache gelaufen. Die Loks hatten grosse Probleme beim Anfahren in der Steigung und auch der Triebwagen kam auf den nassen Schienen kaum mehr den Berg hoch. Lok 442.59 fuhr mit 3 oder 4 Güterwagen weiter und unser Zug mit Mallet 442.54 blieb über Nacht in Nefasit.

Am Mittwoch, 6.Oktober, setzten wir unsere Reise ab Nefasit über die steigungsreiche Strecke nach Arbaroba fort. Der Himmel hatte wieder aufgeklart und es war ein Video-Wetter vom Feinsten! Auch in Arbaroba war Wasserfassen nicht einfach, zuerst musste ein Schlauch aufgetrieben und mit Draht befestigt werden. Irgendwer hatte ihn wohl abmontiert seit der letzten Fahrt, nicht ganz ohne Grund wird auch die Kohle im Güterwagen in Säcken mitgeführt, ein Kohlenlager in den Bahnhöfen an der Strecke würde wohl rasch für andere Zwecke umgenutzt. Die Leute haben ein Brennstoffproblem und das Holz zum Kochen muss mühsam in den Bergen zusammengesucht werden. Ausser Kakteen wächst da kaum etwas.

Während weiterer zwei Tage galt unsere Aufmerksamkeit dem oberen Streckenteil von Arbaroba (km 107) bis Asmara, dem heutigen Endpunkt (km 120) mit den Tunnels 22 bis 29 und einer abenteuerlichen Linienführung durch das Gebirge. Von Baresa, der Station vor Arbaroba beträgt die Steigung durchgehend 35 ‰, was für die gut 66 Jahre alten Maschinen und die alten Männer, welche sie fahren, eine ziemliche Herausforderung darstellt, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Einrichtungen zum Sanden an den Loks nicht mehr funktionieren und der Zug nicht gebremst ist (keine Sorge, auf jedem Wagen fährt ein Bremser mit!). Auf diesem Streckenabschnit verläuft die Strasse meistens oberhalb der Bahn, was dem Filmer und Fotografen ganz neue Ausblicke eröffnet. Dazu hatte ich das Glück, dass mein Freund Daniel mit Mietwagen unterwegs war, so dass ich den Zug zum Filmen beliebig verlassen und auch wieder zusteigen konnte. Ein weiterer Höhepunkt war nach dem Rundgang durch Asmara der Besuch auf dem Mehdeber Markt: Hier wird nichts weggeworfen! Von Hand werden Ölfässer aufgetrennt und flachgeklopft, die Bleche nach eigentlichen »Schnittmustern« zerlegt und damit allerlei Gerätschaften, Öfen und Koch-Utensilien hergestellt. Benötigt wird dazu ein Hammer, ein Decauville-Schmalspurgleis als Amboss zum Formen und Falzen, sowie viel handwerkliches Geschick. Ein unablässiges Hämmern und Klopfen der Metallhandwerker, übertroffen nur noch vom Geräusch der Gewürzmühlen, gleich nebenan! Hier werden vor den Hütten die getrockneten Chili-Schoten sortiert und drin, zusammen mit groben Meersalz-Körnern, zu einem feinen Pulver vermahlen. Die Arbeit wird von jungen Frauen besorgt, welche sich ob dem roten Staub, welcher ihre Kleider und Gesichter bedeckt, nicht aus der Laune bringen lassen. Sie scherzen und lachen und nur ab und zu kommt ein Mädchen an die Türe, um sich mit Wasser kurz die Augen auszuwaschen. Ich war zum Filmen vielleicht 5 Minuten in einer dieser Gewürzmühlen drin und habe, nach anfänglichem Niesen, während zweier Tage an einer starken Allergie gelitten! Scharf zu essen bin ich gewohnt, aber Chili-Staub in dieser Konzentration einzuatmen war zuviel für mich!

Fazit

Eine wunderschöne Reise an eine fantastische Bahn, unbedingt zu empfehlen auch wegen dem Land Eritrea an sich und seinen Bewohnern. Hinfahren heisst die Devise, je eher desto besser, denn: mangels Nachwuchs beim Personal und fehlenden finanziellen Mitteln für die Aufarbeitung des historischen Rollmaterials und die Modernisierung dürfte die Bahn wohl nicht mehr lange fahren, auch und vor allem, weil ihr die wirtschaftliche Basis fehlt. Als Tourismusbahn zu weit weg und als Güterbahn z.B. für Container-Verkehr nicht gerüstet wegen der zu erwartenden Achslasten und der Lichtraumprofile in den Tunnels.